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Bericht Zugreise Krasnodar - Karlsruhe

Meine Zugreise von Krasnodar über Minsk nach Karlsruhe 26.09. – 28.09.2019

Meine Reise beginnt mit einem Abschiedsabend im Lokal Dzhentelmeny Udachi in Krasnodar. Hinter mir liegt eine ereignisreiche Woche in Krasnodar. Über diesen Aufenthalt berichte ich gesondert. Aber schon hier gilt mein Dank Olessya, Anastasia und Juliana vom Amt für internationale Beziehungen, Marina und Sergey vom Lehrstuhl für deutsche Philologie der Staatlichen Kuban-Universität sowie Nadeshda und Svetlana, die mich privat mit köstlichen Speisen versorgt haben.

Olga Naumenko hat mich auf 19:00 Uhr einbestellt. Olessya hat mir ein Taxi der Verwaltung zur Verfügung gestellt, der Fahrer kommt etwas früher zu mir ins Hotel Intourist, kurz vor 18:00 Uhr und lädt mich vor dem Lokal ab, es regnet. Hier weiß niemand etwas mit dem schwer bepackten Gast, (1 Koffer, 1 Rucksack, 1 Tasche, 1 Fototasche), anzufangen. Eine Englisch sprechende Bedienung muss gefunden werden, es dauert. Ich behaupte, eine Olga N. hätte für fünf Personen reserviert. Unbekannt. Man weist mir aber dann doch einen Zweiertisch zu, bietet mir einen Tee an, den ich durch ein Glas Rotwein ersetze, georgischen, gut.

Ich rufe Olga an. Es stellt sich heraus, dass sie nicht reserviert hat, da es ein Mittwoch sei, Reservierung nicht nötig. Ich warte und schreibe einen Tagebucheintrag über das Schreiben. Während meines Aufenthaltes habe ich – außerhalb der Uni – niemanden schreiben gesehen und Svetlana, die Mutter von Angelina, antwortete mir auf meine Frage, wie sie denn einen Brief von mir aus Deutschland empfangen könne, da es doch in diesem Hochhauskomplex keine privaten Briefkästen und Namensschilder gebe. Sie wisse es nicht! Ich soll per SMS schreiben. Nein! Ich werde es mit einem ganz normalen Brief mit schönen Briefmarken versuchen!

Plötzlich taucht Olga auf, sie säßen schon eine Weile unten, im Erdgeschoss. Ich treffe auf Wolfgang H., das Ärzteehepaar Konstantin und Irina Sch. und natürlich Olga. Runder Tisch, Sessel mit hohen Lehnen, etwas dunkel, Fensterplatz, sehr angenehme Atmosphäre, das wird eine schöne Abschiedsfeier. Wir bestellen unterschiedliche Speisen, regional, 2 Flaschen Rotwein usw. Wolfgang übernimmt die Speisen, ich die Getränke. Unterhaltung auf Russisch, Deutsch und Englisch.

40 Minuten vor Abfahrt des Zuges, ca. 23:00 Uhr, brechen wir auf, alle begleiten mich zum Zug, bis auf den Bahnsteig an das Gleis! Der Zug kommt, „hochbeinig“, herzliche Verabschiedung. Wie soll man den Meter Aufstieg bewältigen? An jeder Waggontür wird eine drei- oder vierstufige (?) Treppe ausgeklappt. Kaum stehe ich in meinem Abteil, kommt die Zugbegleiterin und legt mir das Paket Bettwäsche auf das herunter geklappte Bett und los geht die Fahrt. Da fällt mir ein, dass ich den geräucherten Fisch, den mir Nadeshda mitgegeben hat (aus Kamchatka), in den Kühlschrank legen lassen muss. Wir haben ein Video aufgenommen. Das zeige ich und der Fisch kommt in den Kühlschrank, kein Problem.

Hoffentlich vergesse ich ihn nicht. Es ist ein 4er-Abteil, unten liegt eine hübsche Blondine im Bett, die aber gegen 04:00 Uhr nicht mehr da ist. Ich bemerke das, weil sich eine langhaarige Brunette das Bett richtet. Ich schlafe auch unten, die oberen Liegen bleiben frei. Luxus. Ab 10:00 Uhr bin ich dann alleine. Waschen ist kein Problem, da geht es zwar eng zu, aber dank Kleenex-Feuchttüchern, die ich mir im Kaufhaus gekauft habe, kein Problem.

Zum Frühstück hole ich mir vom Samowar heißes Wasser, Thermosbecher gab es im Hotel Intourist als Geschenk, Teebeutel habe ich mir gekauft. Dazu Schokoladenkekse und einen Apfel, blauer Himmel und draußen unendliche Weite. Ich fotografiere, lese, denke zurück.

15:30 Uhr, ein 30-minütiger Aufenthalt in Liski, an einem Fluss gelegen, ein größerer Ort. Alles steigt aus, um sich die Füße zu vertreten und einzukaufen. Es gibt zahlreiche Kioske, „fliegende“ Händlerinnen, die durchreisenden Gäste zu versorgen. Ich kaufe zwei HotDogs (Zeichensprache) und zwei Dosen Bier. Dann geht die Fahrt weiter und zwar auf die Sekunde pünktlich. Jeder Waggon hat eine junge, hübsche Zugbegleiterin, in tadelloser blauer Uniform. In Voronzeh gibt es dann eine Stunde Aufenthalt, wieder steigen alle aus, gehen auf dem Bahnsteig spazieren. Ein Regionalzug trifft ein, fährt in entgegengesetzter Richtung weiter. Ich bin noch immer allein in meinem Abteil, lese. Wieder geht es pünktlich weiter, jedoch wieder zurück. Es ist dunkel draußen, ich kann nicht erkennen, ob der Zug einen Bogen fährt. Eine Streckenkarte wäre nicht schlecht, zum Glück habe ich mir die Zwischenhalte ausgedruckt, das gibt eine gewisse Orientierung. Wie das mit dem Zugrestaurant funktioniert, habe ich noch nicht herausgefunden, habe zwar keine Hunger, aber es interessiert mich. Mal sehen. Habe zum Abend den zweiten HotDog gegessen, lege mich um 20:10 Uhr ins Bett, bin müde.

Irgendwann in der Nacht, 27. September, wird eine Frau ins Abteil geleitet, flüsternd zeigt man ihr den Ablauf hier, Licht bleibt aus, nur das Ganglicht ist an. Ich schlafe schlecht. Um 07:00 Uhr schleiche ich mich aus dem Abteil, suche das WC auf, Waschen, Wäsche wechseln, rasieren, es ist zwar alles sehr beengt, geht aber. Da sie noch schläft, Bettdecke auch über dem Kopf, setze ich mich ins frei gewordene Abteil nebenan, lese (Iwan Turgenjew, Erste Liebe, Mumu, Asja, Ein König Lear der Steppe, Die Uhr), trinke Tee. Am Fenster sitzen zwei junge Zugbegleiterinnen, die mir eine Leselampe einschalten. Dann öffnet sich die Tür, ich sehe meine Abteilnachbarin auf dem Gang zur Toilette, kleiner als ich, gedrungen, mit langem schwarz-grauen Gewand bis auf den Boden, den Kopf mit einem schwarzen Tuch bedeckt. Hat man mir eine Muslima ins Abteil gegeben? Kann doch nicht möglich sein!

Das Alter der Frau ist schwer zu schätzen, nur das Gesicht ist frei, vielleicht 60 Jahre alt, Russin. Später liest sie in ihrer Reisebibel. Ich klappe meine Liege hoch, sitze auf dem bequemen Sitzpolster, sie auf der Liege, unbequemes Sitzen, da der Metallrand doch stört. Dann bleibt sie längere Zeit weg, steht im Gang, liest wieder in der Bibel, blickt in die Ferne. Die junge Waggonbegleiterin zieht sich eine hellblaue Kittelschürze an und saugt den Gang, einen hellblauen Stoffläufer, der am dem Teppichläufer gespannt wurde und sie saugt in jedem Abteil! Seit 08:00 Uhr sind Birkenwälder zu sehen, Herbstlaub, Strauchwerk, gelber Schilf, je ein breiter Streifen rechts und links der Gleise, dahinter Felder, dann wieder Wald. Beim Lesen bekreuzigt sie sich ab und zu.

Dann macht sie ihr Bett und packt etwas zum Essen aus: geräucherten Fisch, weißen und roten, Lachs, Tomaten (aus ihrem Garten), Gurken – und lädt mich ein! Wie im Bilderbuch! Dankend ablehnen ist zwecklos.

Sie schreibt in großen Buchstaben auf ein halbes A4-Baltt, auf die andere Hälfte zeichnet sie, eine Ordensfrau oder einen orthodoxen Priester, gefangen hinter Stacheldraht, dann eine Grabstätte. Ich verstehe nur so viel, dass diese Person 1950 in München gestorben und dort bestattet worden sei. Und sie erzählt, leider kann ich nichts verstehen.

12:15 Uhr, Gomel, 45 Minuten Aufenthalt, größere Stadt, später erfahre ich, dass Gomel noch stärker als Tschernobyl von radioaktiver Belastung betroffen sei. Bis jetzt noch keine Passkontrolle in Belarus. Entlang der Strecke jetzt häufiger Siedlungen, Kühe, Getreidefelder, Hühner, Gänse, ärmlich aussehende Dörfer, schöne Holzhäuser.

Ein Stündchen Mittagsschlaf, beim Aufwachen zwei Ziegen, auf jeder Seite eine, draußen auf dem Feld natürlich, scheinbare Idylle. Um 15:15 gibt es wieder etwas zu essen. Ich muss, ob ich will oder nicht. Für mich eine Tomate, zwei Stück Fisch, 1 große Pelmeni, sie zeigt mir gestisch, dass sie kein Fleisch esse, nur Fisch: Sie streckt die Zeigefinger rechts und links entlang den Schläfen nach oben und schüttelt den Kopf. Zeichen für den Teufel? Nein, sie esse kein Rindfleisch. Wellenbewegung mit der rechten Hand. Nur Fisch. Pelmeni mit Fisch gefüllt.

Dann eine Stunde vor der fahrplanmäßigen Ankunft in Minsk zieht sie sich um, kommt vollkommen in Schwarz gekleidet zurück ins Abteil, schwarze Kopfbedeckung, nur das Gesicht ist frei, ab dem Kinn bis zu den schwarzen Stiefeln schwarzes schweres Kleid, darüber ein Umhang, Soutane, mit einem schwarzen Ledergürtel umgürtet, goldene schwere Halskette, an der ein großes, reich mit Steinen verziertes Kreuz hängt. Über allem dann ein schwarzer Mantel, dazu ein schwarzer Koffer, eine schwarze Reisetasche. Ein freundliches, liebevolles, ausgeglichenes Gesicht. Leider darf ich sie nicht fotografieren. Auf dem Bahnsteig wird sie von zwei Männern, Fahrer? in Empfang genommen.

Halt! Der Fisch! Zurück zur Waggonbegleiterin, das Video muss ich nicht zeigen, sie kennt mich, „bye, bye“, nett!

Minsk. Der Zug trifft vor der Zeit ein. Ich habe zunächst Orientierungsprobleme, suche die große Anzeigetafel, die ich nicht finde. Dann entdecke ich die Zuganzeigen, jeweils oben an der Decke in der langen Unterführung, die zu den Bahnsteigen führt. Ich muss auf Gleis 2. Es ist ein sehr großer Bahnhof mit relativ viel Reisenden. Blick in das Bahnhofumfeld: Monumentalbauten. Blauer Himmel, alles sehr sauber, Rauchen nur in ausgewiesenen Zohnen erlaubt (in Krasnodar übrigens sieht man in der Öffentlichkeit niemanden rauchen). Dann kommt der Zug. Waggon 214 fehlt! Aber da gibt es ja Personal. Man erklärt mir, dass ich in 213 einsteigen solle, 214 sei als Hälfte dort zu finden. So ist es, wieder ein 4er-Abteil, aber jetzt mit vier Personen belegt. Ein älteres Ehepaar unten, er arbeitet bei VW bei Dresden, oben links ein Junger Mann, spricht gut Englisch, ich ebenfalls oben, rechts. Alle sind sehr hilfsbereit. Ich klappe mit Hilfe des VW-Arbeiters meine Liege herunter, alles ist perfekt bezogen. Dann gehe ich ins Restaurant. Den Fisch darf ich hier nicht einlagern. Was tun? Rucksack, oben in die Ablage und hoffen, dass die vier Plastiktüten das Unangenehme für sich behalten.

Dort treffe ich auf Deutsche, zwei Lehrerinnen, die einen Schüleraustausch mit einer Stadt in Belarus vorbereitet haben, fünf Männer, die in der Nähe von Gomel an einem Kinderheim ehrenamtlich gearbeitet haben, von einer evangelischen Organisation kommend. Ich esse Borschtsch, zwei Sandwich, 2 Bier. Um 21:30 liege ich im Bett, man unterhält sich. Hier ist es viel, sehr viel enger als im ersten Zug. Und es zieht, bis ein Zugbegleiter kommt und in die Lüftung laminiertes Papier steckt, etwas besser, aber noch immer Zugluft, befürchte, morgen eine Erkältung zu haben. Dann kommt die Passkontrolle. Und es dauert ziemlich lange, bis wir die Pässe wieder haben. Es ruckelt fürchterlich. An Schlaf ist nicht zu denken. Hier müssen irgendwo die Achsen gewechselt worden sein, das ging aber lautlos vor sich.

Und dann, mitten in der Nacht, 28. September, ich habe wohl doch geschlafen, wird es unten unruhig. Alle ziehen sich an, es ist 06:30 Uhr, ich frage, ob sie alle unterwegs, d. h. jetzt aussteigen. Dann klopft es an der Tür, ob jemand Kaffee haben möchte. Ich nehme einen Becher, kann aber nicht bezahlen, der VWler bezahlt für mich, das sei doch kein Problem! Nun frage ich, wo wir denn seien. Antwort: Kurz vor BERLIN! Ich kann es nicht glauben. Ich habe mich um einen ganzen Tag verrechnet, Samstag, nicht Sonntag! Runter vom Bett, angezogen, gepackt und um 07:07 ausgestiegen, 20 Minuten früher.

Ich weiß, dass ein Zug um 07:45 nach Karlsruhe startet. Online-Buchung nicht möglich, da das neue Sicherheits-TAN-Verfahren nicht funktioniert, ich habe es vermasselt. Runter in die Schalterhalle, mit dem Gepäck. Geschlossen, öffnet erst um 08:00. Ran an den Automaten, alles eingetippt, braucht seine Zeit, EC-Karte rein und dann beginnt der Ausdruck, sieben Belege, es dauert. Dann zum Gleis 2, der Zug steht schon bereit – und welch Überraschung: Entgegen der Ankündigung fast leer. Ich habe 1. Klasse genommen, obwohl das Projektbudget nur 2. Klasse begleicht. 35 € auf eigene Rechnung, egal.. Der Zug bleibt bis Karlsruhe fast leer. Durchsage: Heute Baby- und Kleinkindbetreuung im Zug. Habe ich noch nie gehört. Der Fahrtabschnitt zwischen Braunschweig und Karlsruhe ist der abwechslungsreichste der 64-stündigen Zugfahrt. Endlich wieder Berge, Ortschaften.

Ich habe diese Reise genossen, hat mir sehr gut gefallen, mit Russischkenntnissen wäre es noch schöner gewesen. Wiederholung ist kurzfristig allerdings nicht unbedingt nötig.

Wir erreichen Karlsruhe mit 20-minütiger Verspätung. Trudel schließt mich in ihre Arme. Ich bin wieder zu Hause, glücklich – und denke schon am nächsten Morgen wieder an Russland.

Am Abend hole ich den Fisch aus dem Kühlschrank. Fotos folgen. Manfred Czychi

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