Bürgerreise 2007

Veröffentlicht: Mittwoch, 18. April 2018 Drucken

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Eine Woche fröhlicher, herzlicher, ja auch ergreifender menschlicher Begegnungen, kultureller Genüsse und umfassender Information erlebte unsere 25 Mitglieder zählende Reisegruppe der “Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe - Krasnodar” bei ihrem einwöchigen Besuch unserer südrussischen Partnerstadt. Anlaß war die 214. Wiederkehr der Gründung Krasnodars durch Katharina die Große (aus dem Hause Anhalt - Zerbst) und der 15. Geburtstag unserer Städtefreundschaft.

Zu den groß angelegten Feierlichkeiten waren auch unser Oberbürgermeister Herr Fenrich –und in seinem Gefolge Stadträtinnen und Stadträte der Stadt- sowie das Kammerorchester der Universität Karlsruhe unter Leitung von Herrn Professor Dr. Köhnlein angereist. Die mehrere Tage dauernden Feierlichkeiten begannen mit Konzerten im Orgelsaal des Rathauses und – eigens für uns – mit einem Konzert, das die bekannte Karlsruher Pianistin OK Young You und das Kammerorchester Unserer Universität, im „ästhetischen Zentrum“ gaben, umrahmt von den tänzerischen Darbietungen der dortigen Schülerinnen und Schüler. Sie setzten sich fort in einem Besuch der Zarin, der „deutschen Mutter” Krasnodars, die - umgeben von bezopften Kosakenkriegern – während der Ehrungen mit Tanz und Musik huldvoll von ihrem marmornen Sockel auf die beiden Oberbürgermeister der Partnerstädte, Herrn Evlanov und Herrn Fenrich,herabblickte.

Eine deftige Mittagsmahlzeit mit Spanferkel und anderen regionalen Köstlichkeiten genossen wir dann unter freiem Himmel Seite an Seite mit Abgeordneten der Stadtduma, während Kosaken zu Pferde ihre kriegerischen Kunststücke vollführten. Dem herrlichen, wasserklaren Wodka sprachen wir dabei kräftig zu, da ja “Nastrowje” und “Druschba” so ziemlich die einzigen Wörter waren, mit denen wir eine freundliche Kommunikation in Gang halten konnten.

Zum Abschluß der Feier erlebten Tausende von Menschen am Abend eine dramatische Inszenierung der Stadtgeschichte, großartige Tänze und ein nicht enden wollendes Feuerwerk. Krasnodar ist eine Stadt tief greifender Veränderung. Zu Fuß lernten wir das Zentrum mit Museen, Galerien, Theater und Kirchen kennen. Mit etwas nostalgischer Fantasie konnte man sich hier das Bild des alten Russland zur Zarenzeit entwerfen. Auch in der Hauptstraße zeugen viele Häuser vom Wohlstand vergangener Zeit. Noch ist vieles verfallen, heruntergekommen, oder Ruine. Das 20. Jahrhundert, das mit seinen Revolutionen, Bürgerkriegen, Stalinistischen Säuberungen, dem deutschen Vernichtungsfeldzug und der kommunistischen Misswirtschaft 50 bis 60 Millionen Menschenleben kostete, - dieses Jahrhundert liegt hinter dem geschundenen Land.

Jetzt, nach dem Ende der Sowjetunion, glimmt Hoffnung auf, spürt man einen Aufbruch, der uns an unseren eigenen Wiederaufbaunach dem Kriege erinnert. Man kann buchstäblich keinen Meter passieren, ohne eine Baustelle zu sehen. Neben alten windschiefen Hütten entstehen moderne Wohnblocks, Läden und Einkaufszentren aus Aluminium und Glas, die von Kosmetika bis zur Unterhaltungselektronik alles anbieten und zum “Shoppen” und Verweilen einladen. Moderne Autos und Transportfahrzeuge prägen den pulsierenden Verkehr auf den Hauptverkehrsstraßen. In Parks kann man sich ergehen, an Brunnen, in Cafes sich erholen, am Ufer des Kuban spazieren gehen. Im Kontrast hierzu dann Märkte, auf denen Händler, Handwerker und Bauern der Umgebung von Textilien bis zu Gewürzen eine orientalisch anmutende Warenvielfalt anbieten. Noch gibt es viel Armut. Man wünscht diesem Land spontan, dass es vorwärts kommt.- Nur 7% Wachstum? - Zu wenig! 

Auf unseren Ausflügen fuhren wir im Süden und Westen durch die zum Kaukasusgebirge aufsteigenden bewaldeten Hügelketten, im Norden durch die fruchtbare schwarzbödige Ebene.Höhepunkte waren für uns immer wieder die Begegnungen mit den Menschen. Im Jugendzentrum Orljonok am Schwarzen Meer werden wir eingeladen zu einer Darbietung der Schüler. Wir treten in den Großen Saal, und mit tosendem Applaus von der Tribüne herab begrüßen uns ungefähr 400 Kinder. Wir sind überwältigt. Die mit Präzision, mit Witz und hinreißendem Temperament dargebotenen Tänze haben professionellen Rang. Klatschend verabschieden uns die Kinder wieder, begleiten uns, wollen uns die Hände schütteln. Sie können uns einfach nicht lassen. Wir sind gerührt, fühlen uns beschenkt.

Auch im Kosakendorf von Krasnodar wollten uns die Kinder mit ihren Tänzen beschenken; so auch die alten Frauen, die uns am Eingang singend entgegenkamen, später tanzten und uns bewirteten. Sie warben um unsere Freundschaft. “Druschba” war für sie keine Phrase! Ist es unsere “deutsche” Gehemmtheit, Mangel an Spontaneität, oder ein konsumorientiertes Qualitätsbewußtsein, das uns daran hindert, hinter der Darbietung die emotionale Zuwendung zu würdigen und auf sie ebenso zu antworten? Nun ja, es dauerte ein Weilchen, aber dann stimmten wir unsererseits das Badnerlied an und wagten ein paar Tanzschritte.

Unsere Fahrt nach Novorossijsk am Schwarzen Meer führte uns in ein blutgetränktes ehemaliges Kampfgebiet. 300 000 deutsche und russische Soldaten fanden hier in wenigen Monaten des Jahres 1943 den Tod. Viele der Gefallenen mögen ihre letzte Ruhe auf dem Soldatenfriedhof bei Apscheronsk gefunden haben, wo uns ein Mitarbeiter des Verbandes Deutsche Kriegsgräberfürsorge von den Mühen bei der Suche und Bergung der sterblichen Überreste deutscher Soldaten in dem Hunderte von Quadratkilometern großen, ehemaligen Kampfgebiet erzählte. Oft findet er die Gräber ausgeraubt und geschändet vor; denn in Westeuropa blüht ein schwunghafter Handel mit Militaria. Was motiviert den Deutschen bei dieser so oft entmutigenden Arbeit ? – Es ist reiner Patriotismus, sonst nichts. Wir waren besonders bewegt, als unser ältester - nämlich 83-jähriger - Mitreisender, der in seiner Jugend an der Kaukasusfront kämpfte, während der Feierlichkeiten einen russischen Veteran traf und mit ihm, dem einstigen Feind, Freundschaft und Frieden schloss.

Reich konnte unser Freundschaftsverein die Philologische Fakultät der Universität beschenken; denn wir hatten- jeder so viel er tragen konnte- Bücher der deutschen Literatur mitgebracht, sodass nun diese Bücherei nach den Worten der Leiterin eine der am besten ausgestatteten Südrusslands ist. Eine Stunde saßen wir Studenten der Germanistik gegenüber, um im Gespräch mehr von einander zu erfahren. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Studenten und Professoren ist so günstig, dass wir in unseren Massenuniversitäten vor Neid erblassen können. In kleinen Räumen sitzen 20 bis 30 Studenten einem Lehrenden gegenüber. An dieser Stelle sei das rege Interesse der jungen Germanistik-Studenten erwähnt einige Zeit in einer deutschen Gastfamilie zu verbringen.

Nach all diesen Erfahrungen bringen wir ein anderes, korrigiertes, Bild von Russland mit nach Hause. Das Russland der Bedrückung und Erstarrung ist vergangen. Wir haben dieses Land als Land im Aufbruch erlebt. Der Stimmung von Hoffnung und Zuversicht kann sich der Besucher nicht entziehen. Offenheit und Spontaneität sind uns überall begegnet. Wir haben eine Jugend kennen gelernt, der Alkoholismus und Fettleibigkeit fremd sind, Jugendliche von frischer und lebendiger Unbefangenheit, ohne Zynismus, höflich und zurückhaltend, Jugendliche, die ihr Gesicht nicht hinter Sonnenbrille und “Coolness” verstecken.- Dort würde ich gerne noch einmal Lehrer sein!

Hans – Peter Oehl*(Kontakttelefon für willige Gastgeber: 0721-47 34 39)

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